MC Werder/Havel e.V.

Wassersportverein

Reisebericht Segelyacht "Kia Orana" Sommer 2002

 

 

Nach Duisburg

Mit dem Ziel Niederlande binnen und buiten legten wir am 14.Mai beim MC Werder ab und motorten mit flach gelegtem Mast gen Westen über die Havel. In Brandenburg gingen wir in der Vorstadtschleuse das erste Mal zu Tal, es folgten noch 63 Schleusungen und zwei Hebewerke. Die erste Nacht ankerten wir im Breitling vor dem Kienwerder, es folgten noch 27 meist ruhige Ankernächte, in denen wir unser GPS (Elektronisches Satellitennavigationsgerät) auf Ankerwache schickten.

Über den Elbe-Havel-Kanal kamen wir bei Niegripp auf die Elbe und unser treuer Diesel schob uns die 10 km locker gegen den Strom. In Rothensee baten wir per  Funk nicht um Schleusung, sondern um eine Hebung um die 18 m zum Mittellandkanal hinaufzukommen. Unserer Bitte wurde zügig entsprochen und nach einer wunderbaren nostalgischen Bergfahrt ganz ruhig und allein im Trog nahmen wir die 325 km des MLK unter den Kiel. Das Hebewerk wurde 1938 freigegeben und ist ein technisches Meisterwerk.

In 50 bis 80 km Etappen schipperten wir westwärts, es wurde nie langweilig, denn es gibt viel Interessantes zu sehen, wie die Hindenburgschleuse in Hannover Anderten, oder die VW-Autostadt in Wolfsburg. Nach Überquerung der Weser auf der alten Kanalbrücke legten wir gegenüber der Schachtschleuse an und machten größere Ausflüge auf dem Weserradweg. Über den Dortmund-Ems-Kanal und Rhein-Herne-Kanal landeten wir im größten Binnenhafen Europas in Duisburg.

Über den Rhein

Bild1: Rhein aufwärts im SchleppBild1: Rhein aufwärts im Schlepp

Mit Hilfe vom Hafenmeister besorgten wir uns ein Schlepper für den Rhein aufwärts. Der freundliche Eigner eines 85 m-Motorschiffes aus Heilbronn am Neckar nahm uns auf  den Haken und mit 1000 PS ging es vier Tage lang bergwärts. Anfangs ohne Ladung zog er uns mit gewaltigen 20 km/h durchs Wasser und noch mit 15 km/h über Grund, wir erzeugten eine gewaltige Heckwelle. Nachdem er in Neuss 1000 t Öltreste geladen hatte, ging es etwas weniger schnell weiter.

Beeindruckt hat uns der starke Verkehr und die Größe der Binnenschiffe, besonders die Containerschiffe, meist Niederländer von Rotterdam kommend. Ungewöhnlich sind die Vorrang habenden  Bergfahrer, die meist die Innenkurven benutzen und beim Linksfahren mit einer blauen Tafel  den Talfahrern signalisieren, dass sie eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord wünschen. Ein talfahrendes Sportboot hält sich am Besten in der Strommitte und weicht je nach Bedarf  zum rechten oder linken Ufer aus, eine häufige Wahrschau nach achtern ist unbedingt notwendig, bei den hohen Geschwindigkeiten besonders von Leerfahrern muss man auch den Überholern Platz machen.

In Mainz wurde unsere Schlepptrosse eingeholt und  mit eigener Kraft fuhren wir nach drei Ankertagen in einem stillen Seitenarm gemütlich zu Tal. Es war eine wunderbares Hinabgleiten zwischen den Rheinbergen mit seinen Weinhängen und alten Burgen. Beim Passieren der Loreley waren wir sehr mit dem Verkehr und dem kabbeligen Wasser beschäftigt (13m Wassertiefe und kräftiger Strom, hier herrscht ausnahmsweise Rechtsfahrgebot), sodass wir den Gesang der Loreley nicht hörten und nicht abgelenkt werden konnten.

Wir erreichen Holland

Nach einigen Landgängen passierten wir Köln, der Horizont wurde immer flacher und so blieb es die nächsten Wochen. Bei Nijmegen erreichten wir die erste größere Stadt in den Niederlanden und auf Empfehlung von Einheimischen verließen wir den Rhein/Waal und  wechselten auf die ruhige Maas.

Nachdem wir im Hollandsdiep die letzte feste Brücke passiert hatten, setzten wir unseren Mast und waren nun wieder ein richtiges Segelboot, und 40 m² Groß und Genua schoben uns nun lautlos und kostenlos über Volkerrak, Grevelingenmeer und Oosterschelde. Es gab nun wieder ganz andere Probleme zu lösen, denn vor dem Befahren jedes dieser Binnenreviere ist der Charakter des Gewässers zu  erkunden. Die niederländischen Meisterwasserbauer haben nach großen Sturmfluten einige Nordseeteile eindeicht oder gewaltige Sturmflutwehre errichtet, die bei Bedarf geschlossen werden können. So sind Hollandsdiep, Volkerak, Grevelingenmeer und Veersemeer Binnengewässer ohne Tide mit Süß- oder Brackwasser, während die Oosterschelde ein Tidengewässer mit Salzwasser und Gezeitenstrom ist. So muss der Gezeitenkalender studiert werden, bevor es losgehen kann.

Nachdem wir die Provinz Zeeland fast durchquert hatten, gelangten wir zur Westerschelde, einer offene Nordseebucht. Drei Tage haben wir in Vlissingen nur vorsichtig über den Deich geschaut, denn bei Wind 7 mit Böen 8 waren nur Großschiffe nach Antwerpen und Lotsenboote zu sehen. Aber Rasmus hatte ein Einsehen und in kräftiger Schaukelei auf der Nordseedünung konnten wir Zeebrücke in Belgien als südlichster Punkt unserer Reise erreichen.

Durch eine gewaltige Seeschleuse und den Brodowijnkanal sind wir nach Brügge, einer Kulturhauptstadt Europas 2002 gefahren und waren begeistert von der schönen Stadt und dem Kulturangebot. Von nun an zeigte unser Kompass meist nach Nord.

Im Haringvliet  sind wir durch die Schleuse im Sturmflutwehr wieder auf die Nordsee gegangen, aber vor dem Überqueren des Großschifffahrtsweges nach Rotterdam kam über UKW-Funk eine Sturmwarnung und so haben wir den Kurs sofort durch den weltgrößten Hafen abgesetzt und sind, nachdem wir einem großen Tanker ehrfurchtsvoll haben passieren lassen, die Maas 30km hinein, vorbei an vielen Häfen geschippert. Die Fahrrinne wurde allmählich flacher, sodass wir im Stadtzentrum vor der ersten Brücke uns nur noch vor den Binnenmotorschiffen in acht nehmen mussten.

Die große Erasmusbrücke (Foto) wurde extra für uns nach Funkanmeldung geöffnet, sodass mehrere Straßenbahnen, zig Autos,  viele Fietzen und Fußgänger eine kleine Pause einlegen konnten, bis wir mit stehendem Mast passiert hatten. Über verschiedene Kanäle, vorbei an Häusern mit farbenprächtigen Gärten, oft tieferliegenden Weiden und Feldern, gelangten wir über die Hauptstadt Amsterdam zum Marker- und Ijsselmeer.

Zwischen beiden Meeren liegt ein Damm, der durch die Schleusen Enkhuizen und Lelystad überwunden werden kann. Allerdings sind an den beiden Meeren 19000 Sportboote beheimatet und nicht wenige von ihnen wollen an einem schönem Wochenende gerade in das andere Meer. Das bedeutet, dass jede Schleuse gefüllt wird, bis kein Wasser mehr zu sehen ist. Mit Ausnahme einzelner Vordrängler erfolgt die Einfahrt sehr gesittet, nur der Schleusenmeister sorgt dafür, dass jeder dicht auf den Vorgänger aufrückt und prächtige Päckchen gebildet werden. Die niederländischen Sportbootfahrer sind sehr freundlich und rücksichtsvoll.

Nachdem wir die schönen alten Häfen, wie Hoorn, Enkhuizen, Lemmer und Stavoren besucht hatten, haben wir die Schleuse Kornwerderzand genommen und sind wieder nach gründlichen Karten- und Gezeitenatlasstudium, sowie Gesprächen mit einheimischen Seglern, exakt nach Zeitplan zur Wattenmeerinsel Vlieland aufgebrochen. Die erste Nacht im Hafen war nicht nach unserem Geschmack, denn der ganze Hafen war voll, wir lagen in einem Päckchen 10 mal 6 Boote.

trockengefallen im VlielandBild2: trockengefallen im Vlieland

Die zweite Nacht haben wir lieber trockengefallen in Ruhe und 100 m Abstand zum nächsten Boot verbracht.
Es ist ein besonderes Gefühl, wenn die berühmte handbreit Wasser unterm Kiel nicht mehr vorhanden ist, das Boot aufhört zu schaukeln und die Möven zu Fuß am Boot vorbeigehen. Der Landgang ist gut zu planen, man muss überlegen, ob man trocken oder nass an Land geht, das Beiboot benutzt und wie der Rückweg erfolgen soll. Wenn man sich verkalkuliert hat, muss eventuell zurück geschwommen werden.

Die nächsten Törns liefen alle im Takt der Tide ab, über die westfriesischen Inseln Terschelling, Ameland und Schiermonnikoog nach Lauwersoog. Im Takt der Tide heißt, aufstehen nicht irgendwann am Vormittag, sondern so, dass man etwa 3 Stunden vor Hochwasser vor dem Wattenhoch steht, das kann um fünf Uhr sein. Das Wattenhoch ist die Flachstelle südlich der Mitte der Inseln, die trockenfallen. Dort kann man eventuell warten bis die notwendige Wassertiefe vorhanden ist und dann zügig an den Pricken hinübersegeln bis man in die nächsten Priele kommt, die immer ausreichend Wasser führen, aber mit teilweise erheblichen Strömen aufwarten.

Will man den Hafen von Schiermonnikoog anlaufen, muss man eine Stunde vor bis eine Stunde nach Hochwasser ankommen, denn diese Hafeneinfahrt hat bei Niedrigwasser nur 30 cm Wasser.

Der Rückweg

Nach dem Passieren der Schleuse Lauwersoog haben wir den Mast gelegt und uns wieder in Motorbootfahrer verwandelt. Über Groningen und Emden gings auf die Ems, durch das neue Emssperrwerk, vorbei an der Meyerwerft Papenburg, wo große Kreuzfahrtschiffe entstehen, zum  Dortmund-Ems-Kanal und auf dem gleichen Weg zurück auf unsere Havel.

Die Kia Orana Crew
B. & R. Gorges

Weitere Links

Königreich Niederlande
Holland ist nicht nur Ijsselmeer
Yacht-online Das niederländische Wattenmeer


 

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